Außerferner Stängel
"Stängel" ist im Außerfern, wie der Tiroler Bezirk Reutte meistens genannt wird, die Bezeichnung seines ortstypischen Weißbrotes. Haptisch verbindet sich der Außerferner Stängel mit den tiefen Tälern und steilen Gebirgshängen des Landes. Zum flaumigen Inneren gelangt man durch eine knusprige, nur leichten Widerstand leistende Brotkruste.
Und:
Dieses Weißbrot schmeckt noch am nächsten Tag verlässlich fein! – Wie auch Verlässlichkeit zu den sogenannten Außerferner Eigenschaften zählt. Ebenso wie das Teilen, das sich im Großen in der gelebten Realteilung und im Kleinen in dem – selbst in den heutigen Bäckereien handgeformten - Stängel abzeichnet: Er lässt sich sehr leicht von Hand teilen, auch die einzelne Stängelsemmel. Eine willkommene Eigenschaft als
- Frühstücks- und Jausenbrot, als Proviant für unterwegs, beim Grillen, beim Tunken von Sauce und Suppe …
Bei seiner Zubereitung ist Zeitplanung gefragt, eine weitere gute auß’fernerische Eigenschaft: Bereits am Vorabend wird der Vorteig mit wenig Hefe angesetzt. Er bewirkt nicht nur angenehmen Geschmack, sondern auch längere Frische des Weißbrotes. Am nächsten Tag knetet man dann den endgültigen Teig, der nochmals gemächlich gehen darf.
- Stängel lassen sich sehr gut einfrieren.
- Wenn man nur 2 Stängel backen oder den Hauptteig mit dem Brotbackautomaten machen möchte, halbiert man einfach das Gewicht der einzelnen Zutaten, auch die des Vorteiges.
- Man kann aus dem Teig auch Weißbrotwecken oder Brötchen backen.
Hintergründiges zu diesem Brot:
Weizen selbst gedieh allerdings im rauen Außerfern nie. Er musste immer gekauft werden und war deshalb etwas Besonderes. Weißbrot gab es hier nicht alle Tage und Hunger war nicht selten ein Gast am Mittagstisch. Mit ein Hauptgrund dafür war die Realteilung: Anders als ihre bajuwarischen Nachbarn teilten die Außerferner immer schon ihre (wenigen) Felder unter ihren Nachkommen auf. So hatte jede und jeder ein wenig, was aber in diesem schönen, jedoch kargen Bergland für so manche/n als Lebensunterhalt zu wenig war.
Viele aus dieser Intelligenzecke Tirols, wie der Bezirk auch genannt wird, suchten bereits als „Schwabenkinder“, später als Stuckateure, Maurer und Händler Arbeit in ganz Europa. Dabei lernten sie auch das Tessiner Brot der Schweiz kennen und brachten es nach Hause ins Außerfern, wo es bald unter dem Namen “Außerferner Stängel“ als Stück Außerferner Heimat betrachtet wurde und immer noch wird.
Trotz einer inzwischen erweiterten Palette an Einkommensmöglichkeiten im Bezirk zieht es auch heute noch zahlreiche Außerfernerinnen und Außerferner aus beruflichen Gründen in die Ferne. Ihnen ist dieses Rezept gewidmet, damit sie sich dann und wann Außerferner Stängel backen können!
300 g Weizenmehl , in Ö Type 700, in D Type 550. |
300 ml Wasser , kaltes Trinkwasser |
10 g Germ , frische, ein Viertel Würfel. |
1
Vorteig
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200
ml
Wasser
kaltes Trinkwasser
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10
g
Germ
frisch, ein Viertel Würfel
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150
g
Sauerrahm
Alternative: 120 ml lauwarme Milch + 30 g Butter
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700
g
Weizenmehl
in Ö Type 700, in D Type 550
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2
TL
Salz
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- Hauptteig zu bereiten
- Hefe im Wasser auflösen und mit den restlichen Zutaten zum Vorteig in die Teigschüssel geben. Kurz durchrühren, Teig auf eine bemehlte Arbeitsfläche geben und mit den Handballen intensiv so lange kneten (ca. 10 Minuten), bis sich der Teig von der Arbeitsfläche löst und eine elastische, seidige Struktur annimmt. Während des Knetens die Ränder des Teiges immer wieder zur Mitte klappen.
- Teig zu einer Kugel formen, mit wenig Mehl bestreuen, abdecken, 45 Minuten gehen lassen, dann den Teig mit den Händen hochheben und umdrehen, dabei seine Luft sanft herausdrücken. Dieser Vorgang verbessert die Teiglockerung. Nochmals zugedeckt 45 Minuten gehen lassen.
- Das Brot formen
- Teig mit Hilfe einer Teigkarte auf eine leicht bemehlte Arbeitsfläche geben, zu einer glatten Rolle formen, diese mit der Teigkarte in 20 ungefähr gleich schwere Teigstücke teilen.
- Teigstücke zuerst rundschleifen, dann hoch-oval formen und zu fünft aneinanderstoßend als "Stängel" auf ein mit Backtrennpapier ausgelegtes Backblech legen.
- Leicht bemehlt und zugedeckt mit einem Geschirrtuch bei Zimmertemperatur ca. 1 Stunde gehen lassen.
- Nun das für das Brot typische "Tal" einschneiden:
Mit etwas Mehl eine Spur längs in der Mitte des Stängels legen, mit einer Rasierklinge oder scharfem Messer die Mehlspur 2 cm tief einschneiden. - Mit warmem Wasser besprühen. Weitere 5 Minuten gehen lassen.
- Backen
- Heißluft-Backrohr auf 200° aufheizen, ofenfestes Gefäß mit dampfendem Wasser steht auf seinem Boden.
- Teiglinge einschieben, ca. 35 Minuten backen. Die Außerferner Stängel sollen gut durchgebacken, krustig, aber hell sein!
- Herausgenommen sofort mit kaltem Wasser besprühen - das gibt Glanz – und auf einem Gitter auskühlen lassen.