Die Vogelkirsche (Prunus avium subsp. avium) ist ein bis zu 30 m hoher, sommergrüner Baum von harmonischer Gestalt, der bis zu 90 Jahre alt wird. Von ihr stammen die Zuchtformen der Süßkirsche ab, nämlich die 'Knorpelkirsche' (Prunus avium subsp. duracina) und die 'Herzkirsche' (Prunus avium subsp. juliana) ab. Diese kultivierten Formen tragen größere und süßere Früchte als die Wildform. Allerdings benötigen sie im Unterschied zur Vogelkirsche einen Befruchtungspartner und sind auch anspruchsvoller, was Standort, Boden und Klima betrifft.
Die Vogelkirsche liebt einen kalkreichen, feuchtigkeitsbindenden Boden und steigt an Waldrändern wachsend bis in Höhen von 1700 m, wo von April bis Mitte Mai ihre weißen Blütenwolken leuchten.
Die eiförmig-lanzettlichen Blätter zeichnen sich durch einen fein gesägten Rand und durch 2 – 4 arttypische, rötliche Drüsen unterhalb des Blattgrundes aus. Ihre Herbstfärbung verläuft in einem lebhaften Rot und Gelb.
Ihre saftigen, sehr aromatischen, leicht bitteren Steinfrüchte färben sich im Juli in ihrer Reife beinahe schwarzrot. Nicht nur den Menschen schmecken sie, der sie auch gerne in Hochgeistiges verwandelt, sondern auch die Vögel sind scharf darauf! Sie tun sich beim Ernten etwas leichter und lassen nicht viele davon übrig! Daher der Name „Vogelkirsche“!
Der Steinkern jeder Kirsche enthält in der Regel einen Samenkern, der durch seine, für den Menschen sehr giftige, Blausäure marzipanähnlich schmeckt. Ein verschluckter, nicht zerbissener Steinkern macht allerdings nichts, der wandert unverdaut durch die Verdauungskanäle!
Weitere Vorteile der Vogelkirsche für den Menschen:
- Neben den Früchten sind auch die Blüten und Blätter essbar.
- Aus den Stängel wird ein harntreibender, entschlackender Tee gekocht: 1 Teelöffel Kirschenstiele mit 250 ml kochendem Wasser aufgießen, 10 Minuten ziehen lassen. Kurmäßig 2 – 4 Tassen täglich trinken.
- Die Kerne dienen als Füllung für Kirschkernsackerl. Diese werden bei Verspannungen im Backofen erwärmt und aufgelegt.
- Das sehr fein gemaserte, rot-braune Holz ist ein geschätztes Möbelholz und wird auch im Musikintrumentenbau verwendet.
Vermehrung
Die Vogelkirsche lässt sich über ihre Kirschkerne, die jeweils einen ausgereiften Samen enthalten, vermehren. Sie ist ein Kaltkeimer: Also, wenn man eine rohe, vollreife Kirsche verzehrt hat, steckt man ihren Kern in der freien Natur 5 cm tief in die Erde, die auch immer wieder einmal etwas Feuchtigkeit abbekommen sollte. Nach den frostigen Wintertemperaturen spitzen im darauffolgenden Frühling die Keimblätter aus der Erde, wenn nicht … ja, wenn nicht die Wühlmaus den Kern oder die Schnecke die Keimblätter gefressen hat. Da heißt es, gegen diese Kirschenfreunde Vorsorge treffen!
Kirschzweige spielten in der Blumensymbolik eine große Rolle:
Eine germanische Überlieferung besagt, dass Elfen gerne bei Vollmond unter einem blühenden Kirschbaum tanzen, und man müsse sie dabei ungestört und unbeobachtet lassen. Wer dies nicht respektiert, wir von ihnen bestraft werden.
Auch im christlichen Bereich übt die Kirsche ihren Zauber aus!
Gelten Kirschblüten in ihrem unschuldigen Weiß als Ausdruck für seelische Reinheit und (noch bestehende) Jungfräulichkeit eines heiratsfähigen Mädchens („Die Muttergottes sitzt in einem blühenden Kirschbaum“ ), sind sie doch auch bereits Symbole kommender Fruchtbarkeit, den Erntereichtum und das Glück einer Liebesbeziehung betreffend. Natürlich einer patriarchalisch geordneten, die in einer Ehe mündet und dann erst, ohne Fremdbestäubung, die lippenrote Süße der knackigen Früchte genießt. Diese Aspekte werden durch das Brauchtum rund um die Barbarazweige, die an und für sich von Natur aus auf den Sieg des Lichts hinweisen, gut zum Ausdruck gebracht … und durch den „Schandmai“, einen erbärmlichen Brauch früherer Zeiten: „Gefallenen“ Mädchen, die in den Augen der Gesellschaft (oder eines abgewiesenen Freiers) einen ungeordneten Partnerkonsum betrieben (bei den Burschen hieß so etwas Erfahrung sammeln), oder auch jenen, die ein uneheliches Kind bekamen, ihm das Leben ermöglichten, steckte man am 1. Mai einen ramponierten Kirschblütenzweig bzw. Schlehenzweig ans Fenster oder legte ihn vor die Türe. Die junge Frau ist „zum Kirschbaum geworden“, wird gar als „Gemeindekirschbaum“ bezeichnet. – Ja, und wer eine „Kirsche brach“, „hat was“ mit einer verheirateten Frau. Aber die Kirschen in Nachbarsgarten schmecken doch so gut ...