Tod des Plinius
Tod des Plinius
Das Sterbedatum des Plinius ist auf den Tag genau überliefert worden, denn es hängt mit einer riesigen Naturkatastrophe zusammen und wurde bestens dokumentiert, sodass dieser dramatische Tag auch heute noch nachvollzogen werden kann:
Wer mit der Fähre von Neapel nach Ischia reist, fährt an Cap Misenum vorbei, wo er sich am 24. August 79 n. Chr., dem Tag des gewaltigen Ausbruchs des Vesuvs, als Kommandant der römischen Flotte befand. Lassen wir seinen Neffen, der bei ihm war, in einem Brief an seinen Freund, den Geschichtsschreiber Tacitus, zu Wort kommen:
„… Er (Plinius) hatte sich gesonnt, dann kalt gebadet, hatte im Liegen einen Imbiss genommen und studierte jetzt. Er ließ sich die Sandalen bringen und stieg auf eine Anhöhe, von der aus man das Naturschauspiel besonders gut beobachten konnte. Es erhob sich eine Wolke, …. Als einem Mann mit wissenschaftlichen Interessen erschien ihm die Sache bedeutsam und wert, aus größerer Nähe beobachtet zu werden. Er befahl, ein Boot bereitzumachen … Beim Verlassen des Hauses erhielt er ein Billet von Rectina, der Frau des Cascus, die sich wegen der drohenden Gefahr ängstigte – ihr Besitz lag nämlich am Fuße des Vesuvs, und nur zu Schiffe konnte man fliehen - ; sie bat ihn, sie aus der bedenklichen Lage zu befreien. Daraufhin änderte er seinen Entschluss … ließ Vierruderer zu Wasser bringen, ging selbst an Bord, um nicht nur Rectina, sondern auch vielen anderen zu Hilfe zu kommen, denn die liebliche Küste war dicht besiedelt. Er eilte dorthin, von wo andere flohen, und hielt geradewegs auf die Gefahr zu, so gänzlich unbeschwert von Furcht, dass er alle Phasen, alle Gebilde des Unheils, wie er sie mit den Augen wahrnahm, seinem Sekretär in die Feder diktierte.
Schon fiel Asche auf die Schiffe, immer heißer und dichter, je näher sie herankamen, bald auch Bimsstein und schwarze, halb verkohlte, vom Feuer geborstene Steine, schon trat das Meer plötzlich zurück, und das Ufer wurde durch Felsbrocken vom Berge her unpassierbar. Einen Augenblick war er unschlüssig, ob er nicht umkehren solle, dann rief er dem Steuermann, der dazu riet, zu: „Dem Mutigen hilft das Glück; halt auf Pomponianus zu!“ Dieser befand sich in Stabiae, am anderen Ende des Golfs … Dorthin fuhr jetzt mein Oheim mit dem für ihn günstigen Winde, schloss den Verängstigten in die Arme, tröstete ihn, redete ihm gut zu …
Sie stülpten sich Kissen über den Kopf und verschnürten sie mit Tüchern; das bot Schutz gegen Steinschlag.
Schon war es anderswo Tag, dort aber Nacht, schwärzer und dichter als alle Nächte sonst, doch milderten die vielen Fackeln und mancherlei Lichter die Finsternis. Man beschloss, an den Strand zu gehen und sich aus der Nähe zu überzeugen, ob das Meer schon gestatte, etwas zu unternehmen; aber es blieb immer noch rau und feindlich. Dort legte sich mein Oheim auf eine hingebreitete Decke, verlangte hin und wieder einen Schluck kalten Wassers und nahm ihn zu sich.
Dann jagten Flammen und, als ihr Vorbote, Schwefelgeruch die anderen in die Flucht und schreckten ihn auf. Auf zwei Sklaven gestützt , erhob er sich und brach gleich tot zusammen, vermutlich, weil ihm der dichtere Qualm den Atem nahm und den Schlund verschloss, der bei ihm von Natur schwach, eng und häufig entzündet war. – Sobald es wieder hell wurde – es war der dritte Tag von dem an gerechnet, den er als letzten erlebt hatte – fand man seinen Leichnam unberührt und unverletzt, zugedeckt, in den Kleidern, die er zuletzt getragen hatte, in seiner äußeren Erscheinung eher einem Schlafenden als einem Toten ähnlich.“ (Quelle: C. Plinii Caecili Secundi, EPISTULARUM LIBRI DECEM, Übersetzung H. Kasten)