Seit einigen Jahren wird auf dem Land und auch in der Stadt der schöne Brauch, Kräuterbuschen bzw. Kräuterbüschel zu binden und am „Hohen Frauentag“ (= Mariä Himmelfahrt, Fest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August) segnen zu lassen, wieder vermehrt praktiziert.
Einen Brauch auszuüben macht Sinn, wenn man weiß, was er ausdrückt und wenn man dazu stehen kann. „Tradition ist eine Laterne. Der Dumme hält sich an ihr fest, dem Klugen leuchtet sie den Weg.“ (G. B. Shaw. Quelle)
Gerade der Brauch des weihevollen Umgangs mit dem Kräuterbuschen zeigt einen zurückliegenden Weg und ermöglicht einen Weg des persönlichen Umgangs damit, ohne sich an kleinliche, genauestens vorgegebene Vorschriften anzuklammern.
HINTERGRÜNDIGES:
In Pflanzen, durch welche die Menschen von Anfang an Hilfe erfuhren, nämlich Hilfe bei Verletzungen und Infektionskrankheiten, bei Zeugung und Entbindung, auch bei Hunger und Entmutigung und bei ihrer Suche nach dem Sinn des Sterbens, erkannten sie die liebevolle Zuwendung eines göttlichen, meist mütterlichen Wesens.
Denn über ihre Heilwirkung und Sättigung hinaus zeigen Pflanzen, obwohl Teile ihrer Materie absterben, je nach Art durch Samenbildung, durch bereits im August angelegte Winterknospen und durch ihre schlafenden Wurzeln, dass ihre Lebenskraft nicht verloren geht, dass sie unterschiedlich in Samen, Knospen und Wurzeln mitgenommen wird, dass sie nach einer Zeit des scheinbaren Todes wieder sichtbar hervorbricht.
Durch diesen Vegetationszyklus schöpfte der Mensch Hoffnung, dass auch seine ureigenste Lebenskraft, sein Ich, durch den sogenannten Tod nicht verloren geht. - Es ist berührend zu erfahren, dass bereits vor 13.000 Jahren Kräuter den Verstorbenen mitgegeben wurden.
In Festen, Riten und Mysterienkulten spielten seit alter Zeit auch Pflanzen und ihre unterschiedlichen Aspekte eine Rolle. Gewisse wurden der Gottheit in Ehrerbietung als Dank und als Bitte um Fortsetzung ihrer Hilfe dargebracht, wurden dabei auch als kultische Speise bzw. kultisches Getränk verzehrt. In der Natur, vermutlich auch in Schalensteinen, im häuslichen Bereich auf Türschwellen sowie auf Hausaltären, im öffentlichen Bereich auf Altären wurden verschiedenen Gottheiten Räucherpflanzen, Samen, Blumen und Nahrungsmittel dargeboten.
Für große Feiern wählte man einen Termin, der mit der Erntezeit des bodenständigen Getreides (Gerste, Roggen, Hafer, Weizen) und der Kräuter zusammenfiel. Beispielsweise
... das keltisch-irische Fest Lughnasadh (Lúnasa) am 1. August mit den ersten reifen Getreideähren und mit Heidelbeeren,
... die altgriechischen Mysterien von Eleusis, die jedes Jahr in der zweiten Augusthälfte festlich begangen wurden. Im Rahmen dieser Festlichkeiten wurde den teilnehmenden Weiheadepten, zu denen sowohl Männer als auch Frauen, auch Sklavinnen und Sklaven zählten, durch eine geheimnisvolle Inszenierung des Demeter-Persephone-Mythos der Jahreszyklus der Pflanzen als das Bild einer höheren Idee, nämlich der Unsterblichkeit der Seele, erlebbar gemacht. Schlafmohn, Gerste und Polei-Minze spielten dabei eine bedeutsame Rolle.
- Gewisse Pflanzen wurden als heilig angesehen:
Im antiken Griechenland und Rom waren bestimmte Pflanzen Göttinnen und Göttern als heilig geweiht. (Bei mehr Interesse siehe dazu den Artikel „Pflanzen griechischer und römischer Gottheiten. Hexenwesen.“) Bei Festen zu Ehren einer dieser Gottheiten kamen die ihr zugeordneten Pflanzen zum Einsatz: Sie wurden geopfert, geräuchert, gegessen und getrunken, dienten als Raumschmuck und Körperschmuck. Für uns interessant sind folgende in der griechischen Antike heiligen Pflanzen, die heute ihren Platz in unseren Kräuterbuschen haben: Apfel,Beifuß, Dost, Efeu, Getreideähren, Linde, Poleiminze, Rosmarin, Rose, Schlafmohn, Walnuss, Wermut.
Auch nördlich der Alpen gab es wichtige, heilige Pflanzen:
Für die Kelten war die gesamte Natur beseelt mit vielen Wesen, die in Kontakt mit den Menschen standen. Ortsüblich finden sich noch heute folgende den Kelten heilige Pflanzen in Kräuterbüscheln: Eisenkraut, Haselnuss, Mistel, Vogelbeere, Wasserminze.
In den germanischen Sagenkreisen spielen heilige Pflanzen eine bedeutende Rolle und sind einzelnen Göttinnen und Götterm geweiht.
Pflanzen des Hauptgottes Odin: Esche, Ulme, Alant.
Pflanzen des Wetter- und Vegetationsgottes Donar (Thor): Dach-Hauswurz, Eiche, Silberdistel (Wetterdistel, Eberwurz), Vogelbeere
Pflanzen der großen, selbständigen Liebes- und Frühlingsgöttin Freya, die zugleich Heilerin und Zauberin gesehen wurde. Als Marienpflanzen sind sie übrigens heute wichtige Kräuter des Weihbuschens (Kräuterbuschens): Arnika, Birke, Erdbeere, Frauenmantel, Gänseblümchen, Linde, Ringelblume, Rose, Schafgarbe. - Den Schwarzen Holunder teilt sich Freya mit Holla, der Göttin der Brunnen und Quellen.
Weitere Pflanzen aktueller Kräuterbüschel scheinen im nordgermanischen Neunkräutersegen auf.
Der Reihe nach werden erwähnt: Beifuß, Wegerich, Bitteres Schaumkraut, Betonie (Heilziest), Kamille, Brennnessel, Wildapfel, Kerbel, Fenchel.
- Heilige Pflanzen werden unheilig und dann wieder heilig.
Als christliche Mönche - wie Bonifatius - die germanischen Stämme zu missionieren begannen, geriet die Kräuterkunde in Verruf, denn die heidnischen Priesterinnen und Priester, Druidinnen und Druiden, überhaupt alle, die mit Kräutern heilten, wurden als Rivalen und Konkurrentinnen angesehen. 742 n. Chr. wurde der sogenannte heidnische Umgang mit Kräutern durch einen bindenden Beschluss des Consiliums Germanicum verboten: „ … und überhaupt sollen sie (Anm.: die Bischöfe) jeglichen heidnischen Brauch, welcher Art er auch sei, gewissenhaft unterbinden.“
Kräuter waren von nun an Teufelswerk.
Doch der Umgang und die Bräuche mit Kräutern ließen sich nicht ausmerzen, denn das Volk benötigte die heilenden und heiligenden Wirkungen der Kräuter, die vor ihrer Haustüre wuchsen und einfach gesammelt werden konnten.
Die katholische Kirche musste sich etwas einfallen lassen, um das Volk, das auf seine Kräuter-Heilkunst pochte, in der Kirche zu halten. Und sie fand einen schlauen, wirksamen Kompromiss:
Sie weihte die Heilkräuter der Muttergottes, der im Volk fest verankerten Heiligen Maria. Sie waren von nun an nicht mehr heilige Pflanzen von Göttinnen und Göttern, sondern standen ganz im Einflussbereich und Wohlwollen der Muttergottes, die verehrt und um Hilfe angefleht werden konnte.
Auf diese Weise christianisiert, durften die Kräuter in die Kirche getragen und, auf den Altarstufen liegend, gesegnet werden. Für diese Zeremonie wählte man einen bereits eingeführten Festtermin, der den Menschen wichtig war, nämlich den 15. August:
In Italien wird dieser Tag ohnehin seit der Römerzeit als Ferragosto feierlich begangen.
In ganz Europa fanden um diesen Termin herum Getreideerntefeste statt.
Und in der katholischen Kirche wird an diesem Tag seit dem 5. Jahrhundert das Fest Mariä Aufnahme in den Himmel (= "Mariä Himmelfahrt") gefeiert, in den Ostkirchen unter der Bezeichnung „Hochfest des Entschlafens der allheiligen Gottesgebärerin“.
Mit dem 15. August, Mariä Himmelfahrt, gehen der Hochsommer und die Blütezeit wichtiger Heilkräuter zu Ende. Die Pflanzenkraft beginnt sich in die Wurzeln zurückzuziehen. Bis zum 15. August sollte die Ernte des Getreides sowie die der Heilkräuter beendet sein. So haben auch Getreideähren von alters her im Kräuterbuschen (Weihbuschen, Marienwisch, Frauenbuschen) ihren fixen Platz, denn über sie wachen nun nicht mehr Demeter, Ceres und Roggenmuhme, sondern die Muttergottes als Himmlische Mutter und als Maria im Ährenkleid (hier in einer modernen Ährenkapelle).
Mit dem Marienhochfest am 15. August beginnt der sogenannte Frauendreißiger, eine Zeit der besonderen Marienverehrung. Sie dauert, die Marienfeste Mariä Geburt (8. Sept.) und Mariä Namen (12. Sept.) einschließend, bis zum 15. September, dem Gedenktag der Schmerzen Mariens (Rilke Maria, du weinst).
UND HEUTE ?
Es sammeln sowohl Einzelpersonen in meditativer Ruhe als auch bunt gemischte, beschwingte Gruppen in freier Natur und im Hausgarten Heilkräuter mit uralten Traditionen, danken in Gemeinschaft Gott dafür und bitten um seinen Segen. Auch im Spüren, was die heilenden Pflanzen frühere Generationen erkennen ließen und uns immer noch erkennen lassen: Der Tod ist eine Geburt in ein weiteres Leben, dessen Weg darauf hin zu verkünden und zu gehen, Jesus nicht müde geworden ist. - Der folgende Auszug aus dem Kräutersegen erinnert daran:
Kräutersegen
Heile,
was krank ist.
Richte auf,
wer darniederliegt.
Schenke uns
die Vollendung,
die Du Maria gegeben hast.
9
geeignete Pflanzenarten:
Königskerze, Eibisch, Getreideähren oder Mohnkapseln, Johanniskraut, Minze, Salbei, Schafgarbe, Dost, Beifuß oder Wermut. Man kann ohne Weiteres von jeder Art mehrere Stängel nehmen.
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1
Rolle
Hanfkordel
Alternative: Bindedraht. Er ist vor allem für dickere Buschen praktisch.
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1
Schere
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30
cm
Haselrinde
optional.
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1
Segenskärtchen
optional. Segensspruch siehe weiter oben!
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- Pflanzen sortieren und auf Länge schneiden. Dabei soll die Königskerze am längsten sein. Getreideähren bzw. Mohnkapseln, Eibisch, Dost und Beifuß bzw. Wermut etwas kürzer. Die restlichen Pflanzen nochmals kürzer.
- Die untersten Stängelblätter entfernen.
- Um die Königskerze werden Getreideähren (Mohn), Eibisch, Dost und Beifuß (Wermut) gruppiert und einige Zentimeter oberhalb des Anschnitts mit Bindefaden oder Bindedraht umwunden.
- Nun folgen die restlichen gekürzten Pflanzen. Sie werden entweder rund um die bestehenden Pflanzen gebunden oder flach angeordnet, sodass der Strauß später gut an eine Wand gehängt werden kann. - Gerne wird der Buschen mit Rosen, Kamillen und Ringelblumen zu einem Zwölferbuschen erweitert.
- Zum Schluss werden Faden oder Bindedraht so verknotet, dass eine Aufhängschlaufe bleibt.
- Vervollständigt wird der Buschen, wenn ein Segensspruchkärtchen mittels Steckdraht oder Bindedraht hineingehängt wird.
Wie geht es mit dem Kräuterbuschen weiter ?
Nachdem der Kräuterbuschen am 15. August, dem Hohen Frauentag (deshalb Frauenbuschen), beim Gottesdienst in der Kirche gesegnet worden ist, wird er daheim im Haus an einer ausgesuchten Stelle (Herrgottswinkel, Dachboden, Wohnungseingang, Meditationsecke …) liebevoll zum Trocknen aufgehängt. Der Buschen verströmt seinen Segen, begünstigt Hausfrieden, Eheglück und Kindersegen. Wer da ganz sicher gehen möchte, hängt ein paar Zweige davon ins Schlafzimmer ;)
Das Jahr über zupft man Kräuter aus dem Buschen, sobald eine Bitte um Heilung, Schutz oder Segnung angebracht ist. Dazu werden sie für Mensch und Tier aufgestreut, als Tee gekocht, unter das Essen gemischt oder verräuchert.
Verräuchert oder in das Herdfeuer geworfen werden auch Kräuter aus dem Weihbuschen, besonders Teile der Königskerze (= "Wetterkerze"), wenn ein arges Gewitter naht, um vor Blitzschlag und weiteren Schaden gefeit zu sein.
Getreideähren und andere getrocknete Pflanzen aus dem gesegneten Kräuterbuschen, vor allem Ringelblumen, Mohn und Immergrüne, werden als Gruß und Hoffnungszeichen den Verstorbenen mitgegeben und auch zu Allerheiligen sinnvoll als Grabschmuck mitverwendet.
In den Raunächten, der dunkelsten Zeit des Jahres, werden Kräuter aus dem Buschen zusammen mit Weihrauch verräuchert. Wie man das macht, erfahren Sie hier !
Die gesegneten Getreideähren werden bei der Aussaat unter das Saatgut gemischt.
Bevor ein neuer Kräuterbuschen gebunden wird, werden die Reste des alten verbrannt oder verräuchert … und ein neues Kräuterbuschenjahr kann beginnen. -
"Gegen den Tod ist ein Kraut gewachsen", führt uns Franz Neuner, Dekan in Breitenwang, Österreich, anhand von 3 Pflanzen des Kräuterbuschens vor Augen und legt sie uns besonders ans Herz:
"Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen - sagen viele. Keine Medizin, kein Heilkraut schützt uns vor ihm. Das ist die Wahrheit, aber nicht die ganze. Wenn wir das Fest ‚Mariä Aufnahme in den Himmel‘ feiern, dann behaupten wir das Gegenteil: ‚Gegen den Tod ist ein Kraut gewachsen.‘ Dass Maria uns Jesus geschenkt hat, macht sie unsterblich. Als mutige Frau, als Schmerzensmutter, als verständnisvolle Begleiterin in Sorgen und Nöten ist sie lebendig, und viele halten Zwiesprache mit ihr.
Gegen den Tod ist ein Kraut gewachsen - um das zu unterstreichen, segnen wir an ihrem Festtag die farbigen Kräuter- und Blumensträuße - und mancherorts wird noch der alte Brauch gepflegt, die geweihten Kräuter als Trockenblumen zum Grabstrauß für Allerseelen zu verwenden: damit es am Ort des Todes nach Leben, nach Auferstehung duftet!
Die Kräuter machen uns zum einen darauf aufmerksam, was am Leben Marias von bleibender Bedeutung für uns ist. Und sie zeigen uns zum anderen, wie unser Leben gelingen und heil werden kann.
Zum Beispiel die Königskerze… Mit ihrem aufrechten Wuchs steht diese Pflanze für die königliche Würde Marias, für ihre Aufrichtigkeit und Geradheit, für ihre Klarheit und ihre Kraft. Und uns allen predigt die Königskerze: Geh aufrecht durch’s Leben! Sei dir deiner königlichen Würde bewusst!
Auch der Schafgarbe wird eine große Heilkraft zugeschrieben - sie repräsentiert im Kräuterbuschen den starken Überlebenswillen und die Gabe des Trostes. Als Trostspenderin erinnert sie an Maria, die ‚Trösterin der Betrübten‘. Der Auftrag der Schafgarbe an uns: Lebe nicht nur zu deinem eigenen Heil - denk auch an das Heil der anderen! Stärke in den Resignierten den Willen zum Leben! Tröste die Trauernden, begleite die Kranken und ermutige die Schwachen!
Das gelbblühende Johanniskraut gilt seit Jahrhunderten als Sonnensymbol und Lichtbringer… Wenn Maria uns Jesus Christus gebracht hat, ‚das Licht der Welt‘ und die ‚Sonne unseres Heiles‘ - dann ist das Johanniskraut ein schönes Symbol für sie. Und uns animiert diese Heilpflanze: Lass die Sonne in dein Herz! Lebe als froher, freundlicher Mensch! ...
Gott will, dass am Ende für uns das Leben und nicht der Tod steht. … Die Schönheit der Schöpfung lässt uns den Schöpfer ahnen - damit drücken wir unseren Glauben aus, dass das Leben, das Gott uns geschenkt hat, auch bei ihm sein endgültiges Ziel findet - so, wie wir es von Maria bekennen.
Gegen den Tod ist ein Kraut gewachsen: das ist die Botschaft der bunten Blumen- und Kräutersträuße. Uns blüht nicht der Tod, sondern das Leben - das hoffen wir."
(Auszug aus der Predigt von Dekan Franz Neuner, 15. August 2019)